Wissenschaft und Forschung

Tübingen

Über 1000 Behandlungen - Ein Jahr Behandlungen mit revolutionärem Bestrahlungsgerät MR Linac

Vor gut einem Jahr berichteten wir über die feierliche Einweihung und Übergabe eines revolutionären Bestrahlungsgeräts in der Krebsbehandlung am UKT Tübingen. Damals wurde der neuartige MR Linac, der als erstes Gerät MRT und Bestrahlungseinheit kombiniert, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft übergeben. Wir haben mit dem Team des MR Linacs nun ein Jahr später gesprochen und einen Blick auf die ersten Ergebnisse geworfen.

Im Juli 2019 konnte das interprofessionelle Team des MR Linacs am Uniklinikum Tübingen die tausendste Behandlung feiern. Damit haben sie weltweit gesehen, die höchste Praxiserfahrung an solch einem Kombigerät. 60 Patienten wurden in dem Zeitraum September 2018 bis 2019 mit dem MR Linac behandelt.

Die Vorteile zur Standardbehandlung liegen besonders bei Krebsarten wie Darmkrebs, Prostatakrebs, Brustkrebs, Lebermetastasen und Kopf-Hals-Tumoren auf der Hand.

„Der wesentliche Unterschied zur Standardbehandlung ist, dass wir die bildgesteuerte Strahlentherapie, also MRT-Bilder verwenden, und nicht CT-Bilder. Das heißt ,wir haben einen viel höheren Weichteilkontrast, was zum Beispiel im Bauchraum von großem Vorteil ist, das ist der eine Unterschied. Der andere große Unterschied ist, dass die Bestrahlungsplanung und -berechnung jeden Tag aufgrund des aktuellen Bildes durchgeführt wird und nicht nur einmal im gesamten Zyklus", erklärt Professor Zips, der Ärtzliche Direktor und Facharzt für Strahlentherapie am UKT.

Denn während der Patient auf der Liege positioniert wird, werden ständig neue MRT-Bilder angefertigt, an die die Bestrahlung dann exakt angepasst werden kann. Der erkrankte Bereich kann so präzise bestrahlt werden, während die gesunden Regionen geschont werden. Auch Professor Daniela Thorwarth vom Bereich Medizinische Physik zeigt sich begeistert vom MR Linac.

„Die Technologie ist wirklich reif in der Klinik eingesetzt zu werden. Wir haben sehr gute Erfahrungen, es funktioniert solide und robust. Aber natürlich ist es eine neue Technologie, das ist eine erste Implementierung, wir sehen noch ein extremes Potenzial für zukünftige Weiterentwicklungen und Verbesserungen", erklärt sie.

Solche Verbesserungen sieht Professor Thorwarth vor allem im Bereich der automatisierten Anwendung.

„Wir können uns vorstellen, mehr auch die informationstechnische Komponente noch mit einzubinden: maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz. So dass wir vielleicht in der Zukunft, damit auch einen Schritt zu einer automatisierten oder autonomen Strahlentherapie tun können", so Thorwarth.

Genau dafür befinden sie sich auch in einer Forschungskooperation mit der Universität Tübingen und dem Max-Planck-Institut.

Denn bisher wird mit dem MR Linac geforscht, daher müssen auch die Patienten einwilligen an einer medizinischen Studie teilzunehmen.

„Der Patient hat natürlich den Vorteil, dass er im Rahmen einer klinischen Studie Zugang zu einer völlig neuen Technologie hat. Es gibt weltweit ca. acht solcher Geräte, die im Einsatz sind. Natürlich versprechen wir uns besonders präzise Behandlungen dadurch, auch für den individuellen Patienten, weil wir jeden Tag, ganz exakt die Dosis berechnen können, die bei der Behandlung angewendet wird", erklärt Professor Zips.

Hermann Schöller war einer dieser Patienten. Er kam mit der Diagnose Darmkrebs ins UKT und wurde bereits in seinen ersten Gesprächen Mitte Januar über die Möglichkeit an einer Studie teilzunehmen, informiert.

„Ich habe mich dann bereit erklärt, Teilnehmer dieser Studie zu werden, weil man einfach in solchen Studien nicht nur mir helfen kann, sondern auch den anderen Patienten, die nach mir kommen", erklärt der Patient.

Natürlich müsse man mehr Zeit einplanen, denn das Ausfüllen von Fragebögen, sowie mehrere zusätzliche Arztgespräche seien ebenso Teil der Studie, wie der Zugang zu neuen Technologien. Dennoch – Hermann Schöller, dessen Behandlung mit dem MR Linac erfolgreich verlief, bereut seine Entscheidung keinesfalls.

„Also, ich würde mich wieder für diese Studie entscheiden und Fazit ist, das Ergebnis, was man bei mir jetzt eben sieht, war natürlich echt positiv und ich würde also wirklich jeden anderem Patienten der mich fragt raten, wenn du die Möglichkeit hast, mache bei dieser Studie mit. Sie ist vielleicht etwas langwieriger und auch ein bisschen komplexer, mit der ganzen Behandlungsmethode, aber mach das und du hast sicherlich gute Heilungschance", erklärt Hermann Schöller.

Wer sich über die Teilnahme an einer Studie informieren möchte, kann dies entweder über die Homepage der Klinik machen, sich bei der Studienambulanz in Tübingen melden oder direkt seinen behandelnden Arzt ansprechen.

(Sonntag, 01.09.19 - 15:06 Uhr   -   5451 mal angesehen)

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