Wissenschaft und Forschung

Tübingen

Was ist das Darknet? - Experte Stefan Mey erklärt

Das Darknet ist ein Teil des Internets, dass für die meisten Menschen Tabu ist. Es ist ein Ort der Anonymität, ein Ort, der nicht einfach über eine Google-Suche erreichbar ist. Es ist auch ein Ort, der voller Gefahren steckt: ein Umschlagplatz für Drogen, Waffen und Pornografie. Doch was hat das Darknet noch zu bieten? Einer, der es wissen muss, ist IT- und Medien-Journalist Stefan Mey aus Berlin. In seinem Buch "Darknet" beleuchtet er unter anderem auch die politische Dimension des Darknets. Bei einem Vortrag in Tübingen haben wir mit dem Experten gesprochen.

Als IT-Journalist ist Stefan Mey dem Darknet oft begegnet. Für digitale Gegenwelten hat sich der Wahl-Berliner schon immer interessiert. Für sein Buch gehörten dann auch Recherchen im Darknet selbst, sowie Interviews mit Betreibern, auch von beispielsweise Drogenseiten, dazu.

Lesungen und Kurse zum Darknet gibt er seit dem Erscheinen seines Buchs in ganz Deutschland, so wie hier in der VHS Tübingen. Doch was fasziniert ihn eigentlich genau am Darknet?

„Das spannende am Darknet ist, dass Anonymität und Unzensierbarkeit ein Grundzustand ist und im normalen Internet ist das anders. Im normalen Internet ist die Überwachbarkeit und die Zensierbarkeit quasi in die DNA eingeschrieben. Als das Internet erfunden wurde, hat sich niemand darüber Gedanken gemacht, dass es irgendwann mal so Probleme mit Massenüberwachung geben könnte. Und wenn wir im Internet kommunizieren, dann wandern immer Datenpaket hin und her", erklärt Mey.

Das Darknet basiert auf einer Anonymisierungstechnologie namens Tor. Diese verschleiert die IP-Adressen und schickt den Datenverkehr über drei Knotenpunkte.

„Mit dem Tor-Browser komme ich ins Darknet und mit dem Tor-Browser kann ich aber anonym im normalen Internet surfen. Und diese anonyme Nutzung des normalen Internets, die kommt in Ländern zum Tragen, wo Internet zensiert wird oder Regime sehr bösartig gucken, was die Leute machen - in der Türkei beispielsweise", so Mey.

Wer mit dem Tor-Browser beispielsweise im ganz normalen Internet surfe, bleibe auch verschont von personalisierter Werbung, so Mey. Viele bekannte Mediendienste, wie beispielsweise Facebook, haben parallel auch eine Homepage im Darknet.

Bekannt ist das Darknet aber vor allem als Umschlagplatz für Drogen oder Waffen, sowie pornografische Inhalte. Aber gibt es auch noch etwas anderes?

„Es gibt verschiedene Medien, die haben ein Postfach für Whistleblower im Darknet eingerichtet, also für ethisch-motivierte Geheimnisverräter, wie etwa Edward Snowden. Beispielsweise die Süddeutsche macht das, die New York Times, die TAZ, die Washington Post und das hat für die den Vorteil, dass die quasi zu ihrer Anonymisierung gezwungen werden. Wenn das Postfach nämlich im Darknet steht, müssen die Leute den Anonymisierungsbrowser Tor nutzen und damit sind sie einfach anonym, selbst wenn sie selber vielleicht gar nicht verstehen warum das Sinn macht", erklärt der Experte.

Der größte Nutzen besteht eigentlich also nicht unbedingt im Darknet selbst, sondern viel mehr in der Anonymisierungstechnologie Tor. Nach all seinen Recherchen – wie steht denn jetzt der Experte eigentlich selbst zum Darknet?

„Das Darknet ist halt sehr widersprüchlich. Unterm Strich finde ich es gut, dass es das gibt, weil mir das normale Internet mit seiner perfekten Überwachbarkeit eigentlich mehr Angst macht als das Darknet. [...] Es gibt sehr üble Sachen, das Übelste ist, dass im Darknet Kinderpornografie getauscht wird, also Bilder und Videos vom Missbrauch von Kindern. Und momentan ist es so, dass man Darknet-Adressen nicht löschen oder blockieren kann, selbst wenn man weiß, dass da so etwas Schlimmes passiert", so Mey.

Stefan Mey ist der Meinung, dass das Darknet daher eine Form von inhaltlicher Selbstregulierung benötigen würde. Dies widerspräche allerdings der Gegenversion des Internets. Trotzdem – so wie es jetzt sei, könne es nicht bleiben, betont der Experte am Ende seines Vortrags.

Das Fazit: wer lieber anonym unterwegs sein möchte und auch auf personenbezogene Werbung verzichten möchte, für den könnte der Tor-Browser durchaus interessant sein. Das Darknet kann für Geheimnisverräter äußerst wertvoll sein, ansonsten sollte man die dunkle Seite des Internets wohl nur mit Bedacht betreten.

(Mittwoch, 19.02.20 - 18:12 Uhr   -   4822 mal angesehen)

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