Wissenschaft und Forschung

Sexualforschung

Studie zu Gesundheit und Sexualität zeigt klare Defizite der Deutschen

Mehr als ein Blick ins Liebesleben der Deutschen: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat die Studie "Gesundheit und Sexualität in Deutschland" vorgestellt - und diese klaren Defizite aufgezeigt.
Paar am Meer

Die meisten Deutschen haben zwischen vier und fünf Mal im Monat Geschlechtsverkehr. Beim Wissen über sexuell übertragbare Infektionen zeigt sich allerdings Informationsbedarf: Viele Menschen sprechen darüber nicht offen mit ihren Partnerinnen und Partnern oder Ärztinnen und Ärzten. Das sind erste Ergebnisse der deutschlandweiten repräsentativen Studie zur Sexualität Erwachsener (GeSiD).

Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben sie zusammen mit dem Sozialforschungsinstitut KANTAR und mit Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durchgeführt haben. Die GeSiD-Studie ist eine wichtige Voraussetzung für die Planung qualitätsgesicherter Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung im Kontext von Sexualität und dient auch dem wissenschaftlichen Diskurs zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland.

Für die Studie wurden zwischen Oktober 2018 und September 2019 4.955 Erwachsene im Alter von 18 bis 75 Jahren umfassend zu sexualbezogenen Themen befragt. Mit den Themenbereichen sexuelles Verhalten, Einstellungen zur Sexualität, Liebe und Partnerschaft, sexuelle Lust und Zufriedenheit, Schwangerschaften, sexuelle Funktionsstörungen, sexuell übertragbare Infektionen (STI) und Erfahrungen mit sexueller Gewalt deckt der GeSiD-Fragebogen ein sehr breites Spektrum sexualitätsbezogener Fragestellungen ab.

Hierzu erklärt Prof. Dr. Peer Briken, Direktor des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE: „Mit der GeSiD-Studie gibt es nun endlich auch für Deutschland eine umfassende, repräsentative Untersuchung zur Sexualität. Die meisten anderen europäischen Länder und Nordamerika führen bereits seit vielen Jahren bevölkerungsrepräsentative Studien zur sexuellen Gesundheit der Erwachsenenbevölkerung durch und können damit auch Wandlungsprozesse des sexuellen Verhaltens zeigen. Dass eine solche Studie nun auch für Deutschland vorliegt, ist durch die intensive Zusammenarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dem Sozialforschungsinstitut Kantar und dem UKE gelungen. Wir haben eine Vielzahl bedeutsamer Daten erhoben, die wir in den nächsten Monaten weiter auswerten und mit den Daten aus anderen Ländern in Beziehung setzen können. Dabei betrachten wir Sexualität in ihrer Komplexität und ihren verschiedenen Facetten nicht nur im Hinblick auf Probleme, sondern auch im Hinblick auf Ressourcen. Dieses Wissen sollte nun in den alltäglichen Umgang mit sexueller Gesundheit, gerade auch im Bereich der Medizin, einfließen. Denn Sexuelle Gesundheit geht die ganze Medizin an. Das wissenschaftliche Team am UKE ist froh und stolz, diesen Meilenstein erreicht zu haben."

Studie als Grundlage für Prävention

Prof. Dr. med. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, betont: „Die Ergebnisse von GeSiD belegen einen nach wie vor hohen Bekanntheitsgrad von HIV/AIDS in der Gesamtbevölkerung. Hierzu haben sicher auch die kontinuierlich weiterentwickelten Präventionsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte beigetragen, die in der BZgA lange mit der Kampagne ‚GIB AIDS KEINE CHANCE' gebündelt wurden. Die GeSiD-Daten bestätigen allerdings auch, dass der Informationsbedarf zu anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) in der Bevölkerung hoch ist. Deshalb informiert die BZgA unter der 2016 neu etablierten Präventionsmarke ‚LIEBESLEBEN. Es ist deins. Schütze es.' neben HIV/AIDS auch umfassend zu anderen STI und bietet Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung an. LIEBESLEBEN kombiniert bevölkerungsweite Aufklärung und zielgruppenspezifische Maßnahmen in Lebenswelten wie Schule oder den medizinischen Versorgungsstrukturen, insbesondere der ärztlichen Praxis. Dabei ist es uns ein Anliegen, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, um die Kommunikationsfähigkeit zu STI im ärztlichen Beratungsgespräch beiderseits zu erhöhen. Dass dies wichtig ist, zeigen die Ergebnisse: In der Bevölkerung besteht Bedarf, über sexualitätsbezogene Gesundheitsprobleme, vorzugsweise in der ärztlichen Praxis, zu sprechen."

Aktivität und Gesundheit

Betrachtet man die sexuelle Aktivität in den vergangenen vier Wochen, so haben Frauen und Männer zwischen 18 und 35 Jahren etwa 5 Mal pro Monat Sex, die 36- bis 55-Jährigen etwa 4 Mal im Monat. Die deutlich am häufigsten genannten heterosexuellen Praktiken sind der vaginale Geschlechtsverkehr und der Oralverkehr. Dabei hängt die sexuelle Aktivität einer Person von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Besonders ausschlaggebend ist neben dem Alter und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Beziehungsstatus: Menschen, die in keiner festen Partnerschaft leben, haben deutlich häufiger angegeben, in den vergangenen vier Wochen keinen Sex gehabt zu haben (77 Prozent). Im Gegensatz dazu haben nur 20 Prozent der fest Liierten angegeben, in den vergangenen vier Wochen keinen Sex gehabt zu haben.

Abfragen zum Wissensstand bezogen auf sexuell übertragbare Infektionen (STI) zeigen, dass HIV/AIDS die bekannteste STI ist. Auf die offene, ungestützte Frage, welche STI bekannt ist, nennen 71,1 Prozent der Befragten HIV/AIDS an erster Stelle, gefolgt von Gonorrhö/Tripper (38,6 Prozent) und Syphilis (31,9 Prozent). Andere STI wie Chlamydien, Genitalwarzen und Trichomoniasis werden wesentlich seltener benannt (11,7 Prozent/4,4 Prozent/0,4 Prozent).

Der Großteil der Menschen, bei denen eine STI diagnostiziert wurde, haben ihren Partner oder ihre Partnerin über diese Infektion informiert. Allerdings sind es – je nach Erkrankung – ein bis drei von zehn Befragten, die nicht mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin über die Infektion gesprochen haben. Auch ist Kommunikation über sexuell übertragbare Infektionen im medizinischen Versorgungssystem noch vergleichsweise selten: nur 21 Prozent der Männer und 31 Prozent der Frauen haben mit einem Arzt oder einer Ärztin über sexuell übertragbare Infektionen gesprochen. Diese Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit, auch weiterhin über STI zu informieren, verstärkt Maßnahmen zur Prävention sexuell übertragbarer Infektionen anzubieten und das Thema sexuelle Gesundheit zu enttabuisieren.

(Mittwoch, 23.09.20 - 21:09 Uhr   -   2419 mal angesehen)

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