Wissenschaft und Forschung

Reutlingen

Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft: Zwölfbändige Reihe zu Friedrich List ist jetzt komplett

Der in Reutlingen geborene Friedrich List gilt als einer der größten Ökonomen der Weltgeschichte. Er war Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft. Der ebenfalls in Reutlingen geborene Friedrich-List-Experte Eugen Wendler stellt List deshalb in eine Reihe mit Adam Smith, Karl Marx und Deng Xiaoping. Wendler hat das wohl umfassendste Werk zu Friedrich List veröffentlicht. Es besteht aus zwölf Bänden und liegt jetzt erstmals vollständig vor.

Friedrich List, Ökonom, Politiker, Journalist und Eisenbahn-Pionier – ein Multitalent. Ein Denkmal am Bahnhofsvorplatz erinnert an den wohl größten Sohn Reutlingens. Eine Ausstellung bei der IHK hebt seine Bedeutung für die Wirtschaft hervor. Und die jetzt zwölfbändige Reihe des Reutlinger Ökonomen Prof. Eugen Wendler erkundet die Person Friedrich List und sein Vermächtnis in allen Einzelheiten – und lässt sich doch in einem Satz auf den Punkt bringen:

"Die wichtigste Aussage ist die, dass Friedrich List Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft ist", so Wendler. "Und dass er sein Motto geprägt hat „Durch Wohlstand zur Freiheit". Und wenn man das bedenkt und vergleicht mit dem Wort von Ludwig Erhard, dann sieht man, wie visionär und aktuell das List'sche Motto war, das eben über 100 Jahre vor Ludwig Erhard geprägt wurde."

Das Schlüsseljahr sei 1845, so Wendler. Die Kartoffelfäule in Irland und das dadurch entstandene Elend stellten die Theorien des Begründers der Freien Marktwirtschaft Adam Smith zumindest in Frage.

"Friedrich Engels kam mit Marx zum 'Proletarier aller Länder vereinigt euch', Friedrich List kam zu 'Durch Wohlstand zur Freiheit'. Das heißt, das ist im Grunde genommen die Weichenstellung, die zum Sozialmus und zur sozialen Marktwirtschaft führt."

Es gebe nur vier große Wirtschaftssysteme in der Welt, so Wendler: Liberalismus (Adam Smith), Soziale Marktwirtschaft (Friedrich List), Sozialismus (Karl Marx) und Chinesischer Staatskapitalismus (Deng Xiaoping).

An der Hochschule Reutlingen und ihrer Fakultät ESB Business School ist man sich des historischen Erbes bewusst. Vor nunmehr dreißig Jahren gründete sie das Friedrich-List-Institut unter der Leitung von Wendler selbst – verbunden mit einem Lehrstuhl.

Vor zehn Jahren übernahm der FDP-Politiker Prof. Stephan Seiter. Weil er in den Bundestag gewählt wurde, musste er den Vorsitz abgeben. Ab sofort ist Prof. Larissa Zierow die Nachfolgerin an der Institutsspitze. "Ich sehe meine Aufgabe einmal darin, die Gedanken, die Friedrich List hatte im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, da auch Bezüge herzustellen zur aktuellen Forschung, zum Beispiel zur Forschung, die auf Daten gestützt ist, zur empirischen Wirtschaftsforschung", so Zierow.

Gleichzeitig gehe es ihr aber darum, den Studenten Friedrich List näherzubringen. Immerhin ist er im Ausland derzeit bekannter als in Deutschland. Und schließlich beschäftigte sich List mit vielen Themen, die auch heute noch brandaktuell sind.

"Zölle werden ja immer wieder diskutiert. Auch wenn es um die Beziehung geht zwischen USA und China, USA und Europa, und die Gefahr, die davon ausgeht, aber auch Schutzwirkungen, die von Zöllen ausgehen, die hat Friedrich List zu seiner Zeit schon sehr durchschaut", so Zierow.

Eugen Wendlers Lebenswerk ist jetzt vollendet. Aber die Friedrich-List-Forschung geht weiter. Denn mit Bezug auf aktuelle Entwicklungen erscheinen Lists Schriften immer wieder im neuen Licht.

(Donnerstag, 06.04.23 - 16:29 Uhr   -   2726 mal angesehen)

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