Wissenschaft und Forschung

Erbil / Kurdistan

Weiterer Neandertaler in Shanidar-Höhle gefunden - Team um Graeme Barker untersucht Aussterben der Menschenart

16.04.2015. Ein Bericht von Stefan Klarner - Wissenschaftsredaktion | Das Team um den britischen Wissenschaftler Graeme Barker hat in der Shanidar-Höhle weitere Neandertaler-Überreste entdeckt. Das teilte Barker am Dienstag der kurdischen Nachrichtenplattform Rudaw mit. Die Höhle liegt im Zagros-Gebirge im irakischen Teil Kurdistans bei Erbil, nahe der türkischen Grenze. Die Neandertaler-Überreste wurden Barker zufolge auf ein Alter von rund 37.000 Jahren datiert.

Damit gehören die gefundenen Überreste zu den jüngeren Exemplaren. Der amerikanische Archäologe Ralph Solecki hatte mit seinem Team in früheren Grabungskampagnen zwischen 1951 und 1960 die Überreste von 10 Neandertalern mit einem Alter von zwischen 65.000 und 35.000 Jahren gefunden.

Weltbekannt wurden die Höhle durch die Bestattung "Shanidar 4". Die Bestattung eines 30 bis 45 Jahre alten Mannes war von Solecki im Jahr 1960 entdeckt worden.: Dort waren bei - 7 Jahre später durchgeführten - Routineuntersuchungen massive Pollenansammlungen in den Erdproben entdeckt worden. Die Pollen konnten verschiedenen Medizinal- und Heilpflanzen zugeordnet werden:

Dazu zählen Schafgarbe, Kornblume, Flockenblume (lat. Centaurea / engl. Bachelor-Button), Sonnenwend-Flockenblume (lat. Centaurea solstitialis / engl. St. Barnaby Distel ), Kreuzkraut oder Greiskraut, Traubenhyazinthe (lat. Muscari / engl. Grape Hyacinth), Gemeine Kiefer, Schachtelhalm und Stockrose (lat. Alcea  / engl. Hollyhock). Dies wurde als Beleg dafür gesehen, dass die Neandertaler ihren Toten zusammen mit Blumen und Blüten bestattet hatten. Spätere Untersuchungen schlagen allerdings vor, dass die Blüten durch Tiere als Nahrungsvorrat in die Höhle eingebracht wurden, und nichts mit der Bestattung zu tun haben.

Barker, dessen Team jetzt den neuen Neandertalerfund machte, lehrt an der Universtität Cambridge am Mc Donalds Institut für Archäologie . Barker ist außerdem Präsident der Prehistoric Society in London. Für das Team um Prof. Graeme Barker und Dr Tim Reynolds, das seit April 2014  in der Höhle gräbt, handelt es sich Rudaw zufolge um den dritten Neandertaler-Fund in der Shanidar-Höhle. 

Die aktuellen Grabungen in Shanidar finden nach Informationen unserer Redaktion im Rahmen des Projektes "How resilent were Neanderthals and Modern Humans in SW Asia to climate change? Reinvestigating Shanidar Cave" statt und werden vom Leverhulme Trust finanziert. Das 3-Jahres-Projekt, das von Professor Barker geleitet wird, kombiniert die Wieder-Ausgrabung der Shanidar Höhle in Kurdistan mit einer Untersuchung der paläolithischen Besiedelung der Region. 

Das Wissenschaftler-Team um Barker geht der Frage nach, weshalb die Neandertaler (Homo Sapiens Neanderthalensis) als Menschenart ausgestorben sind. Diskutiert werden in der Fachwelt verschiedene Thesen: So, ob wir heutigen Jetztmenschen (Homo Sapiens Sapiens) aktiv für das Aussterben verantwortlich sind, beispielsweise durch Krieg oder Vernichtung. Oder ob passive Faktoren (wie beispielsweise Konkurrenz um die gleichen Nahrungsressourcen, Bevölkerungsdruck oder vom Jetztmensch eingeschleppte Krankheiten) das Aussterben des Neandertalers zur Folge hatten. Außerdem werden auch Umweltfaktoren wie Klimaveränderung und damit einhergehend eine Änderung der Umweltbedingungen, an welche die Neandertaler angepasst waren, diskutiert.

Die Menschenart der Neandertaler ist allerdings nicht vollständig ausgestorben. Ihre Gene finden sich in kleinem Umfang auch im Genpool des heutigen Menschen wieder: Die Menschen außerhalb Afrikas tragen heute etwa 2% bis 5% Neandertaler-Gene in sich. Demzufolge muss es irgendwann zu einer Vermischung  - nebst erfolgreicher Fortpflanzung - von heutigem Mensch und Neandertaler gekommen sein.  16.04.2015/10:12 Uhr

 

(Freitag, 02.09.22 - 19:07 Uhr   -   12694 mal angesehen)

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