Wissenschaft und Forschung

Wir und die Neandertaler

Neandertaler-DNA: Wie drei DNA-Buchstaben die Gesichtsform des Menschen prägten

Neue Erkenntnisse zur menschlichen Evolution: Forscher der Universität Edinburgh zeigen: Drei DNA-Buchstaben in der „Junk-DNA" könnten aus dem Kiefer des Neandertalers den feinen Kiefer des modernen Menschen geformt haben. Lesen Sie hier, was wir bisher darüber wissen:
Schädel Homo Sapiens Sapiens (Jetztmensch)

Evolution im Detail: Drei DNA-Buchstaben prägten unseren Kiefer

Evolution im Detail: Wie drei DNA-Buchstaben die Gesichtsform des Menschen prägten

Neue Erkenntnisse zur menschlichen Evolution

Warum ist unser Kiefer zarter als der des Neandertalers? Eine Studie der Universität Edinburgh liefert eine genetische Erklärung – und sie liegt in einem bislang unterschätzten Bereich unseres Erbguts: der sogenannten „Junk-DNA".

Forscher um Hannah Long und Kirsty Uttley identifizierten in der nicht-codierenden Region EC1.45 drei DNA-Buchstaben, die sich vom Neandertaler unterscheiden. Diese Unterschiede beeinflussen offenbar, wie stark ein Entwicklungsgen im Gesicht aktiv ist.

Vom Neandertaler zum modernen Menschen

Der Neandertaler besaß kräftige Kiefer und ein breites Kinn, während der Homo sapiens feinere Gesichtszüge entwickelte. Fossilien belegen deutliche strukturelle Veränderungen – doch die genetischen Ursachen waren unklar. „Das Neandertalergenom ist zu 99,7 Prozent mit unserem identisch", betont Long – kleine Abweichungen können große Effekte haben.

Drei Buchstaben, große Wirkung

In Experimenten wurden die Neandertaler- und die Homo-sapiens-Variante der EC1.45-Region in Zebrafisch-Embryonen eingeschleust. Ergebnis: Die Neandertaler-Sequenz aktivierte das benachbarte Gen SOX9 deutlich stärker – ein Gen, das an der Ausbildung von Knorpel und Gesichtsknochen beteiligt ist.

Embryonen mit der Neandertaler-Variante entwickelten mehr Knorpelvorläuferzellen im Bereich des künftigen Kiefers. Bei der menschlichen Variante war dieser Effekt geringer – ein möglicher Schlüssel zum zierlicheren Kiefer des modernen Menschen.

Mehr als „genetischer Abfall"

Die vermeintliche „Junk-DNA" steuert, wann und wo Gene aktiv sind. Veränderungen dort können anatomische Unterschiede erklären – und Fehlbildungen begünstigen, etwa die Pierre-Robin-Sequenz mit kleinem Unterkiefer und Gaumenspalte.

Bedeutung für die Forschung

Die Ergebnisse zeigen, wie regulative DNA-Elemente die Evolution mitgesteuert haben. Weitere Untersuchungen sollen klären, welche Veränderungen in nicht-codierenden Regionen die Form von Gesicht und Schädel zusätzlich beeinflussen.

Der Neandertaler – nah verwandt, doch anders

Trotz robuster Anatomie stand der Neandertaler uns kulturell näher als lange angenommen: Werkzeuge, Feuer, Schmuck – vieles spricht für komplexes Verhalten. Dennoch verschwand er vor rund 40.000 Jahren aus Europa, nachdem sich der Homo sapiens verbreitet hatte. Genetische Spuren belegen wiederholte Vermischungen; Menschen in Europa tragen bis heute rund ein bis zwei Prozent Neandertaler-DNA. Die Studie macht deutlich, wie minimalste Unterschiede in gemeinsamer genetischer Basis unser Erscheinungsbild prägen – Nähe und Differenz liegen in der Evolution dicht beieinander.


Quellen

  • PM | University of Edinburgh, 12.11.2025
  • Paper: Development (2025); DOI: 10.1242/dev.204779

Bearbeiter:

  • Prometheus-Redaktion & KI
  • Erstveröffentlichung 12.11.2025-14:11 · Bearbeitung 12.11.2025-14:11

(Mittwoch, 12.11.25 - 14:11 Uhr   -   110 mal angesehen)

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